2.000 Münchner Wohnungen zweckentfremdet. „Wir bleiben dran!“ Landtagsabgeordneter Brannekämper und Stadtrat Offman sprechen über Zusagen von Ministerin Aigner, jüngste Stadtratsbeschlüsse und Gerichtsurteile
Als bei Landtagsabgeordnetem Robert Brannekämper wieder ein Antwortschreiben von Wirtschaftsministerin Ilse Aigner zum Thema Zweckentfremdung von Wohnraum durch Medizintourismus eingeht, verdeutlicht gerade Stadtrat Marian Offman (beide CSU) in der Sitzung des Sozialauschusses im Rathaus, um was es bei der Zweckentfremdung auch geht: „Ich möchte fast schon sagen, es handelt sich hier um mafiöse Eingriffe.“
Ich möchte fast schon sagen, es handelt sich hier um mafiöse Eingriffe.
„Stellen Sie sich das vor, wie viel mehr Geld Sie durch die illegale Vermietung an Medizintouristen einnehmen können! Das setzt zwangsläufig kriminelle Energien frei.“, so der Stadtrat in seiner Rede zu einer Vorlage, die zwei weitere Stellen für das zuständige Amt für Wohnen und Migration vorsieht, dessen Verwaltungsbeirat Offman ist.
Gut informierte Kreise sprechen von 150 bis 300 Euro pro Person pro Nacht für eine privat vermietete Wohnung. Das heißt, dass ein Vermieter bei der üblichen Belegung von zehn bis fünfzehn Personen auf Mieteinnahmen von mindestens 45.000 Euro im Monat pro Wohnung kommt.
Für die Bürgerinnen und Bürger aus dem Arabellapark, die der Sitzung beiwohnen, ist es eine sehr gute Nachricht, dass in der Sitzung ihre Anträge aus der letztjährigen Bürgerversammlung vom Stadtrat einstimmig angenommen werden und die Vorlage des Sozialreferates ebenfalls fraktionsübergreifend volle Zustimmung findet. Der Schulterschluss der Parteien tut auch Not: Über 2.000 Wohnungen gehen den Münchnerinnen und Münchner mittlerweile durch touristische Zweckentfremdung im Stadtgebiet verloren. „Das ist – als Block gedacht – ein ganzer Straßenzug! Und das hier in München, wo die Wohnungsnot innerhalb Deutschlands am größten ist.“, verde
utlicht Offman.
Vieles funktioniert mittlerweile: Zivilrechtlich bestätigt können Eigentümer ihrem Mieter fristlos kündigen, wenn er ohne Wissen des Eigentümers an Touristen untervermietet. Verwaltungsrechtlich sind Bußgelder durchgesetzt gegen Vermieter, darunter also auch untervermietende Mieter, und auch gegen die Eigentümer, deren Wohnung vom Mieter an Touristen untervermietet wird.
Aber die Sitzung zeigt auch, wo darüber hinaus noch nachgebessert werden muss: Bislang hatte die Stadt alle Verfahren wegen Zweckentfremdung im Zusammenhang mit Medizintourismus und der Verhängung von Bußgeldern gewonnen. Nun, da Bußgelder unbezahlt blieben und die Nutzungsuntersagung wirkungslos verhallte, wollte die Stadt eine erste Wohnung zwangsräumen lassen – und scheiterte vor Gericht.
Außer, dass Recht auslegbar ist, müssen das rahmengebende Bayerische Wohnraum-Zweckentfremdungsverbots-Gesetz sowie die zugehörige Verordnung der Stadt München verschärft werden. „Die bestehenden juristischen Regelungen wurden gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum durch Büronutzung gemacht, nicht gegen Zweckentfremdung durch lukrativen Medizintourismus“, erläutert Landtagsabgeordneter Brannekämper, „hier haben wir es leider mit einer anderen Klientel zu tun als beim Thema Büronutzung.“
Dies hatte Brannekämper jüngst schon Bürgerinnen und Bürgern auf einer Informationsveranstaltung erklärt, bei der er gemeinsam mit Offman, der Polizei und dem Sozialreferat über den aktuellen Stand informierte und auf der die Anwo
hner von Paul-Heyse-Straße, Landwehrstraße und Arabellapark die neuesten Entwicklungen, Begegnungen sowie ihre Ängste schilderten. „Es ist kein normales Leben mehr möglich“, sind sich die Bewohner der betroffen.
Die bestehenden juristischen Regelungen wurden gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum durch Büronutzung gemacht, nicht gegen Zweckentfremdung durch lukrativen Medizintourismus
n Stadtviertel Münchens einig. Die skrupelloser Geschäftemacher treten den Anwohnern gegenüber rabiat und einschüchternd auftreten. Die Polizei berichtete in diesem Zusammenhang von „13 Strafanzeigen wegen Körperverletzung“. Im Dialog mit den anwesenden Polizeivertretern wurde deutlich, wie verzweifelt die betroffenen Anwohner sowohl über die Geschäftemacher wie auch über die Touristen sind. Als nicht-betroffener Zuhörer fühlte man sich bei manchen Schilderungen an Ereignisse aus der Silvesternacht in Köln erinnert: Frauen werden betatscht, bespuckt und beschimpft. Gruppen von Männern stehen zu jeder Tages- und Nachtzeit in Hauseingängen und Zugängen zur Tiefgarage. Auch die männlichen Anwohner äußerten für sich: „Wir haben Angst. Ich habe Angst. Und ich habe Angst um meine Familie.“
Dass die Lage auch für die städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unangenehm und zudem außergewöhnlich ist, wird deutlich, wenn Offman berichtet, dass die städtischen Mitarbeiter ihre Dienstgänge vor Gericht und in den Wohnvierteln teils unter Polizeischutz absolvieren müssen.
Offman, der im vergangenen Jahr am Hauptbahnhof Flüchtlinge empfing und den kulturell gemischten und aufgeschlossenen Arabellapark gut kennt, machte daher im Sozialausschuss auch deutlich: „Wir kämpfen gegen Ausgrenzung. Diese Situation befördert Ausgrenzung.“ Ein Grund mehr für alle Beteiligten, den Ausnahmezustand in den Stadtvierteln zu beenden.
Wir kämpfen gegen Ausgrenzung. Diese Situation befördert Ausgrenzung
Wirtschaftsministerin Ilse Aigner indes versicherte Brannekämper, der sie mehrfach kontaktiert hatte, vor Monaten bereits ihrer Unterstützung: „Wie besprochen werde ich darauf achten, dass bei sämtlichen Werbemaßnahmen in meinem Einflussbereich ausländische Medizintouristen unmittelbar auf die offiziellen Übernachtungsangebote hingewiesen werden.“, heißt es in einem Schreiben. Der am gestrigen Donnerstag bei Brannekämper eingegangene Brief zeigt, dass sie das Versprechen hält, indem sie mit mehr als deutlichen Worten gegen die Kampagne einer Organisation einschritt.
Auch Gesundheitsministerin Melanie Huml hatte Brannekämper im März bereits zugesagt, dass in das Marketingkonzept ihres Ministeriums zum Medizintourismus eine Empfehlung für das offizielle Beherbergungsgewerbe aufgenommen wird.
Brannekämper und Offman zeigten sich gestern kämpferisch: „Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir brauchen Zeit und Kraft, um gemeinsam, mit allen Parteien und mit allen Ebenen wieder für geordnete Verhältnisse im Arabellapark und den anderen betroffenen Vierteln zu sorgen. Pack ma’s an!“